Es ist die neue deutsche Realität: Am 29. September 2017 will Marcus Hempel lediglich ins Arsenal, ein Einkaufszentrum in der Wittenberger Innenstadt, um ein Videospiel zu kaufen. Noch vor dem Betreten des Gebäudes hält er zusammen mit einer Bekannten inne, wird in ein Gespräch mit einer Gruppe Migranten verwickelt, die schon länger vor der Eingangstür herumlungern. Es kommt zum Wortgefecht, ein kleines Gemenge, dann fliegen die Fäuste: Einer der Syrer, Sabri H., reißt sich los und schlägt auf den vollkommen wehrlosen Marcus ein. Nach dem letzten Hieb bricht der 30-jährige Deutsche leblos zusammen. Sabri dreht sich um, hebt seine Mütze vom Boden auf und verlässt zusammen mit seinen Kumpanen den Ort des Geschehens. Hilflos blicken sich die umstehenden Menschen an, dann kommt ein Krankenwagen. Doch es hilft nichts: Marcus verstirbt wenige Stunden später im Krankenhaus.
Was ist geschehen? Für die ermittelnde Staatsanwaltschaft ist schnell klar: Der zum Tatzeitpunkt angeblich minderjährige Sabri H. handelte in Notwehr. Marcus Hempel provozierte den Syrer demnach mit ausländerfeindlichen Parolen. Karsten Hempel, der Vater von Marcus, ist fassungslos. Die Nachricht vom Tode seines Sohnes erhält er erst mit Verspätung, im Urlaub. Zurück in Deutschland muss er feststellen, dass die Ermittler, statt das Geschehen aufzuklären, lieber die Akten direkt wieder schließen möchten. Was macht man, wenn die Justiz nicht helfen will?
Karsten hat Glück im absoluten Unglück: Selbst die Polizei sieht die Sache anders als die Staatsanwaltschaft und gibt eine abweichende Pressemitteilung heraus. Außerdem ist Karsten per Akteneinsicht im Besitz des Videos einer Überwachungskamera, welche die Tat dokumentiert hat. Zweifel werden laut. Doch so richtig möchte niemand Partei für Karsten Hempel ergreifen.
Im Frühjahr 2018 kommt dann „Ein Prozent“ ins Spiel. Von einer Unterstützerin werden wir auf den Fall aufmerksam gemacht. Ein Anruf und die erste Frage: „Herr Hempel, wie können wir helfen?“ Auch die AfD in Sachsen-Anhalt schaltet sich ein. Während die Partei im Parlament Anfragen zu dem Thema stellt und eine Stellungnahme der Justizministerin Anne-Marie Keding fordert, produzieren wir gemeinsam mit Karsten Hempel den Dokumentarfilm „Der Fall Marcus H.“. Verschiedene Recherchebeiträge flankieren das Video (das seinerzeit weit über 100.000 Klicks auf Youtube erreichte), in denen wir gezielt die Missstände bei der Ermittlung anprangern. Gleichzeitig helfen wir Karsten auch finanziell: Zwar legt die Staatsanwaltschaft den Fall aufgrund des nun generierten Drucks nicht sofort zu den Akten, aber Karsten muss als Nebenkläger selbst am Ball bleiben, sämtliche Akten der Ermittler durchsehen und so weiter. Wir helfen ihm dabei, bezahlen einen Teil der Anwaltskosten und stehen dem trauernden Vater beratend und menschlich zur Seite.
Über zwei Jahre dauert es, bis es zum Prozess gegen Sabri H. kommt. Auf dem Weg dorthin waren zahlreiche Anträge Karstens abgelehnt worden, wurden Prozesstermine angesetzt und wieder verschoben, wurde gebangt und gezittert, geweint und gehofft. Doch die Verhandlungen in Magdeburg enttäuschen: Weder findet das Gericht Antworten auf die zahlreichen offenen Fragen nach dem Wie und Warum, noch ist das Strafmaß verhältnismäßig. Bereits nach wenigen Verhandlungstagen schließen sich die Richter mit der Verteidigung kurz, dann wird verkündet: zwei Jahre auf Bewährung und einige Sozialstunden. Ist das der Preis in Deutschland für ein Menschenleben, das Leben von Marcus Hempel?
Natürlich geht es auch darüber hinaus weiter. Neuigkeiten fassen wir gewohnt auf unserem Blog zusammen. Auch in Zukunft wird Karsten juristisch alle Mittel ausschöpfen, um im Nachhinein doch noch so etwas wie Gerechtigkeit für Marcus zu erreichen. Für unseren Solidaritätsfonds steht Karsten Hempel gerne Pate. Denn wenn alle Stricke reißen, wenn der Staat nicht mehr helfen möchte, dann braucht es einen Rückhalt für die Menschen, die keine Lobby, keine Partei und keine Agenda im Rücken haben. Karsten weiß aus eigener Erfahrung, wie das ist. Ignoranz, Staatsversagen, vorauseilender Gehorsam und eiskalte Berechnung: Das alles kommt zusammen im „Fall Marcus H.“. Deswegen muss Karsten diesen Weg zu Ende gehen. Wir gehen mit. Wer ist dabei?